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Sargon /
DieReisendenHeldenVorDenSteinkreisenVonIraDieser Artikel bezieht sich auf die Zeit nach dem Götterfall Die Steinkreise von Ira Urplötzlich trat vor ihnen ein weiter Abgrund ins Sichtfeld. Der Schnee tobte immer noch um sie her, allerdings nicht mehr ganz so heftig wie noch wenige Minuten zuvor. Raiko- Lyu rückte sein Halstuch zurecht, was er sich um den Kopf geschlungen hatte, um vor dem Schneetreiben besser geschützt zu sein und welches ihm nun die Sicht versperrte. Den Anblick, der sich ihm bot, würde er sein ganzes Leben lang nicht vergessen. Ein weites Tal erstreckte sich vor ihm und seinen Gefährten, soweit, dass er nicht wusste, wo es zu Ende war, denn dichtes Schneetreiben versperrte die Aussicht. Doch was er sehen konnte, genügte ihm fürs erste völlig: Keine Hundert Schritt zu seinen Füßen erhoben sich die Ruinen einer gewaltigen Stadt. Geometrisch genau musste sie von den Baumeistern der Vorzeit angelegt worden sein, denn deutlich stachen auch jetzt noch die parallel verlaufenden Säulenreihen aus den verfallenen Palästen hervor, die wie Bäume sich majestätisch in den Himmel erhoben. Viele waren im Laufe der Jahrtausende umgestürzt oder zum Teil abgebrochen, aber die meisten streckten noch immer mahnend an die große Katastrophe ihre Finger weit in die Höhe. Die Trümmer der Gebäude schienen sich an die Säulengänge zu schmiegen, und doch waren auch sie so gewaltig und von solcher Pracht in ihrem Verfall, wie keiner der Gefährten es je gesehen hatte. Raiko- Lyu blickte zu Nechao hinüber, doch der war ebenfalls ganz in den Anblick der Verlorenen Stadt versunken. Und trotz all dem Schneetreiben schien es ihm, als ob eine Träne seine Wange herabfloss. Hastig blickte dieser sich um und zog den vereisten Ärmel über das Gesicht, wie wenn zu viele Schneeflocken ihm ins Auge geflogen seien; aber Raiko- Lyu wusste, dass sein Gefährte ihm schon seit einiger Zeit etwas verheimlichte, oder er ahnte es zumindest, und dass dieses Geheimnis etwas mit dieser Stadt zu tun hatte. Erwartete Nechao ernsthaft, in diesem Unwetter das Grabmal des alten Königs zu finden oder verbarg sich noch mehr hinter seinem ernsten Gesicht? Doch die Stimme seines Freundes ließ seine Gedanken nicht weiter abschweifen. Nechao hatte sich nämlich unmerklich aufgerichtet zu haben und schien plötzlich um noch einige Köpfe gewachsen zu sein. Sogar Kyztoff blickte ihn mit Erstaunen, ja fast mit Bewunderung an. „So weit also“, sprach der Recke, „habt ihr mich also begleitet, meine Freunde. Die Erinnerung an die Lieder meiner Jugendzeit drängen sich bei diesem unglaublichem Anblick meinem Herzen auf. Wenn ihr mögt, werde ich euch dieses nun vortragen- allem Wetter zum trotz! Hört also nun die Ballade von Zitrams Schwert! Hoch über Sargon auf ehernem Thron schweifte sein Blick in die Ferne Von Iras Feste wachte er über sein Volk- zu Pulus Freude Sieh an seine Mauern deren Friese wie Bronzeschalen scheinen! Ihren Sockel beschau`, dem niemandes Werk gleicht! Den Blendstein berühre, der schon seit Urzeiten dort steht! Prüfe die Gründung, die Tiefe emporhob! Zitram, Eol´s Sohn, gleicht Pulu, denn gerecht ist er, ähnlich ist er Serón, denn sein Pfeil trifft das Ziel, Weisheit der Elben und Stärke der Zwerge können seine Klarheit nicht mindern. Sukkoth- Be- Noth im geheimen Rat beschloss sein Reich zu mehren, Er frug an tückisch bei Agrilas Der sollte das Eisen schmieden. Alsbald im Berge hämmert es, das Wahre Schwert ward Licht, und Agrilas gab´s Eol´s Sohn, wie Sukkoth- Be- Noth empfohlen. Er herrschte weise und gerecht auf hohem Herrscherthrone, das Schwert bei ihm war ehrenvoll Kein Krieg zerbrach das Land. Doch Saskoth, Tasirs Sohn, Elbenfürst in Zoar, gewann sein Herz und wurde gleich bewirtet wie sein Sohn, obwohl das Schwert ihn warnte. Vor Iras Tor zur Jagd im Feld, nahm Saskoth seinen Bogen, er schoss dem König durch das Herz, voll Schmerz seine Seel entfloh. Das Schwert nahm ihm der Elbenfürst als Eols Sohn verschied, doch reute Saskoth es allsbald als Krankheit ihn befiel. Von Pest geplagt und voller Pein Stieg Ira er empor Wo Zitram, Eol´s Sohn, ward aufgebahrt In seinem Herrensaal. Eldrim, Zithrams Sohn, jedoch, wehrte ihm den Weg Und Schwerterschlag und Zauberbann trugen seine Füße bis Zithrams Grab. Im Herrensaal, vor Zithrams Leib, kämpften sie und schlugen sich wacker bis zum Morgen Mal siegte Eldrin, mal traf Saskoth, beiden floss Leben aus tausend Wunden. Zauber und Blitz vereinten sich bis Zoar war der Donner zu hören. Doch Zithrams Schwert traf Eldrin schwer, kein Zauberbann konnte helfen, - schon sank er auf die Knie, des Vaters Hand ergreifend. Das Blut des Lebens wich Zithrams Sohn, geschlagen vom Schwert des Vaters, doch Sargon selbst sich da erhob, und Ira ganz verschlang.“ Und noch während er so sang, kam ein sanfterer Wind auf, und der Schnee ließ sein Treiben für eine Weile bleiben. Nechao aber schlug sich beim letzten Vers an die Brust und blickte stolz über Ira hin, und seine beiden Gefährten kam es fast so vor, als hätten sie den König der Alten leibhaftig vor sich. Einen Moment verharrten sie so, doch dann brach Kyztoff das Schweigen: „Dieses Lied kannte ich gar nicht; ist es wahr, dass ein Elb aus Zoar am Sturz des Königshauses von Sargon Schuld sein soll?“ Finster blickte er Nechao an. Dieser zuckte nur mit den Schultern. „Kyztoff, ich weiß es nicht, es ist nur eine Legende, aber vielleicht werden wir heute etwas mehr darüber erfahren, denn siehe, dort hinten sind die Steinkreise von Ira, über die Ruinen der Stadt gebaut. Es heißt, eine Generation nach dem Fall der Königshauptstadt hat man sich der guten Tage und der heldenhaften Taten Zitrams besonnen und über seinem zerstörten und begrabenen Königspalast diese Steinkreise errichtet zum ewigen Gedenken. Doch es kommt lang schon keiner mehr her, und es heißt, dass alle der Fluch des Königs trifft, der seine Ruhe auch nur stören möchte und diese Steinkreise überschreitet.“ Raiko- Lyu blickte sich ängstlich um, wie wenn er erwartete, die Geister der unselig Begrabenen heranfahren zu sehen um ihn und Kyztoff und Nechao in die Tiefe zu zerren. Doch das einzige, was geschah, und was vielleicht nicht minder übel war, war ein langes und anhaltendes Heulen, und dann dazu einsetzend ein zweites und ein drittes und viertes. „Wölfe!“ keuchte der Assarhaddon. „Das hat gerade noch gefehlt. Diese Biester scheinen uns auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Na, wer will´s ihnen übel nehmen, bei dieser unheilvollen Witterung.“ „Ja“, erwiderte Nechao, „lass uns schnell sehen, dass wir hinabkommen.“ So schnell es an dem Abhang möglich war, führten sie ihr Pferde rechts um die Senke herum. Aber nur langsam kamen sie vorwärts, und zu allem übel hatte es auch wieder angefangen zu schneien, heftiger, als noch vorhin. Der Wind stob von Norden her kommend den Schnee aus dem Tal geradezu heraus und wirbelte ihn nach oben in die Gesichter der Helden. „So wird das nichts“, schrie Kyztoff gegen den Wind an, „wir müssen die Pferde hier oben lassen und zu Fuß weitergehen. Aber einer von uns muss dableiben, um sie vor den Wölfen zu schützen.“ „Verflucht seinen die Elben mit allen ihren Zaubern“, dachte Nechao, „aber hier wäre doch wohl wirklich einer angebracht! Warum ließ Raiko- Lyu nicht einfach die Pferde den Abhang hinunterschweben? Oder er könnte die Wölfe einen nach dem anderen herbeirufen; meine Lanze würde bei dieser Jagd wohl nicht so schnell brechen!“ Doch Raiko- Lyu musste wohl an etwas ähnliches gedacht haben. Er trat zu den beiden Pferden und berührte ihre Hufe, brachte sich dann in die berühmte assarische Meditationsstellung und verharrte so einige Augenblicke. Dann ging er wieder zu den Pferden zurück, und raunte ihnen etwas in der kehligen Sprache von Assarhaddon in die Ohren. Nechao konnte nicht alles genau verstehen, aber ihm lief eine Gänsehaut bei diesen Worten den Rücken hinunter und ihm war es, als ob sich die Wolken bei dienen Worten nur mehr noch zusammenzogen. Raiko- Lyu jedoch nahm die beiden Pferde am Zügel und begann, den Abhang hinunterzuklettern. Und durch den Zauber bewirkt fanden die Pferde leichter den Weg als ihr Führer selbst es tat; sie drängten regelrecht, nach unten zu kommen. Kystoff und Nechao folgten, der letztere keuchend und schwitzend, denn seine Rüstung zog ihn doch stärker den Abhang hinab, als das bloße Auge vermutet hätte. Schließlich waren sie aber alle unten angekommen. Sie befanden sich mitten in einem zerfallenen großzügigen Wohnhaus, welches mitten entzweigebrochen war, als die Große Katastrophe sich ereignete. |